„Falls jemanden fragt, wir haben uns auf einer Party kennen gelernt“ Das Zeitalter des modernen Datings. Ein Erfahrungsbericht

An einem gewöhnlichen Mittwochnachmittag, der sonnengelb und himmelblau strahlend war, saßen eine Freundin und ich bei einer guten Tasse Kaffee im Freien, ließen uns von der Sonne betanken und unterhielten uns angeregt über dieses und jenes. Wir sprangen von einem Thema in das nächste, bis die Wörter „Tinder“ und „OkCupid“ mitten ins Gespräch fielen, jene Online-Dating Apps bzw. Seiten, die in kürzester Zeit eine bahnbrechend aufsteigende Laufbahn hingelegt haben. Mit-Studenten, WG-Mitbewohner, Arbeitskollegen, Bekannte und Freunde, alle scheinen auf einmal auf digitale Medien zurückzugreifen um neue Menschen kennenzulernen. Die einen sind auf der Suche nach sexuellen Bekanntschaften, kurz-, oder auch langfristige, die anderen nach ihrer nächsten großen Liebe, und dann gibt es noch ein Grüppchen, die zwischen diesen beiden steht und sich gerne vom digitalen Leben überraschen lassen will.

    Das Ideenkonzept vom Online-Dating ist definitiv kein Neues, doch frage ich mich wie „Tinder & Co“ so schnell Einzug in unser alltäglich-reales Leben gefunden haben. Ich bin zum ersten Mal damit in Kontakt gekommen als mir eine Freundin „Tinder“ als schnelle, unkomplizierte und einfache Datingapp angepriesen hat (ich schätze einmal, dass es bei vielen der „Tinder & Co“ Usern so angefangen hat). Ich lud es mir als Handyapp runter und innerhalb kürzester Zeit hatte ich eine beträchtliche Anzahl an „Matches“ und somit eine Anzahl potentieller Kandidaten. Die Handhabung und der Wirkungsmechanismus von „Tinder“ baut auf einem extrem simplen Vorgang auf, entweder, die dir gezeigte Person am Display gefällt dir, dann swiped man nach rechts, oder man findet sie attraktiv nicht ansprechend dann swiped man nach links: links, links, rechts, links, links, rechts, Match, links, links, links, links, rechts, Match und der Finger wird schon ganz wund. Die Vielzahl und Vielfalt der Männer erschien schier unendlich und stellt einem vor die Wahl von zighunderten Menschen und somit auch zighunderten Möglichkeiten. Könnte man dies in Relation zu unserer heutigen modernen Welt , in der unsere Möglichkeiten, sei es im Beruf oder auch schon wenn wir im Supermarkt vor einer ganzen Reihe Müslipackungen stehen und uns nicht entscheiden können, welches wir eigentlich nehmen wollen (und dabei wollte man doch einfach nur schnell ein Müsli kaufen), setzen? Die mittlerweile hohe Anzahl an Angeboten und deren Vielfalt eröffnen einem viele Wege, aber auch Kombinierbarkeiten, die natürlich einerseits ihre positiven Seiten aufweisen, andererseits ein anderes mal aber die Angst schüren, keine falschen Entscheidungen treffen zu wollen oder gar von ihnen in der eigenen Entscheidungskraft gelähmt wird und die uns verwirrt am Wegrand stehen lassen. Sprichwörter wie: „Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ und „Das Gras ist auf der anderen Seite grüner“, kommen mir in diesem Zusammenhang in den Sinn. Also, woher sollte man denn eigentlich wissen ob man sich wirklich mit der anderen Person versteht? Auch wenn man schon in der digitalen Welt Wörter, Sätze und Gedanken miteinander ausgetauscht hat, so wissen wir alle, dass dies nicht unbedingt und vollkommen unsere Frage nach der Kompatibilität untereinander beantwortet. Letztlich zählt doch eher das Face-to-Face Treffen, in dem Mimik, Gestik, Optik, Stimme, Geruch und natürlich den Körper als das Materielle noch als ausschlaggebende Faktoren miteinfließen. Ich beschloss von daher, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und traf mich nach einer mehr oder weniger kurzen Kennenlernphase im digitalen Gespräch mit wenigen Auserwählten. Doch wurde mir allmählich bewusst, dass die meisten eher auf schnellen Sex aus waren, als das Interesse hegten neue Menschen wirklich kennen lernen zu wollen. Darüber hinaus erschien es mir als sehr oberflächlich Menschen aufgrund von einem Profilfoto mit einem „Ja“ bzw „Nein“ zu bewerten. Verkommen die einzelnen Individuen dann nicht zu einem „Produkt“, einer „Ware“ von vielen, wie in einem Katalog oder einem Supermarkt? Und so verschwand „Tinder“ auch schnell wieder aus meinem Leben, so wie es gekommen war. 

    Enttäuscht von meinen bisherigen Online-Dating Erfahrungen zog ich mich vorerst einmal aus der digitalen Welt zurück, bis mich ein anderer Freund „OkCupid“ als besseren Ersatz vorschlug. Das neue Datingportal integriert zwar das Prinzip „links-rechts-swipen“ von „Tinder“ , jedoch kann man auf der eigenen Profilseite detailiertere Angaben über seine Person dem World Wide Web und somit anderen Personen preisgeben, des weiteren kann man anhand von nie enden wollende Fragen beantworten um die Prozentanzahl der Stimmigkeit zwischen zwei Personen zu ermitteln (Vermerk der Schreiberin: Die ich aus Faulheit nie gemacht habe). Diese neuen Funktionen scheinen anfänglich die Oberflächlichkeit zwar zu reduzieren, jedoch nicht vollkommen zu tilgen. Ich schaffte mir also einen absolut unkreativen Usernamen an („Number 12067“) und ging schließlich online. Ich wählte mir sehr bewusst diesen unaufregenden Namen, als einen knappen Ausdruck was Online-Dating für mich zeitweise darstellt, nämlich als einen des Kumulativen der Schnelllebigkeit unserer praktizierten modernen „weg-werf“ Gesellschaft und der Wandlung des Individuums in eine Seriennummer und damit einhergehend die Verkommung des Subjekts zu einem anonymen Objekt. Und so begann sich das Dating-Karussell erneut zu drehen... Nach etlichen Dating-Fails und Stalkingattacken von anderen Usern, sitze ich nun hier auf meiner Couch am Laptop und stelle mir so einige Fragen: Warum benutzen vermehrt etliche junge Menschen unserer heutigen Gesellschaft solche Mitteln des Kennenlernens anstatt sich wie früher in Clubs oder Bars anzusprechen? Liegt der Grund vielleicht in der zunehmenden Angst vor Ablehnung? Zum Teil wird dies wohl zu treffen, da Online-Dating einen Bereich aufwirft und die Möglichkeit bietet von Ablehnungen des anderen nicht zu hart getroffen zu werfen, da dies alles unter dem dunklen Mantel der Anonymität geschieht. Andererseits muss man auch hinzufügen, dass einige Menschen diesen Bereich nutzen können um aus sich heraus zu gehen, ohne die eigene wirkliche Identität sofort preisgeben zu müssen. Ein weiterer wichtiger Grund stellen wohl auch die Gemütlichkeit, die Simplizität und die Schnelligkeit neue Leute kennenzulernen dar. Man muss nicht mehr notwendigerweise sich unter Menschen mischen, sondern kann bequem von zu Hause, oder wo man sich gerade befindet, neue Bekanntschaften schließen. In diesem Zusammenhang stellt sich aber wiederum die Frage, inwieweit sich dies auf die zwischenmenschliche Kommunikation und das soziale Verhalten auswirkt. Darüber hinaus kommt auch die Frage nach den Erfolgschancen, dem Weiterbestehen und dem Überleben einer solchen Beziehungsart eines Online-Datings auf. Wäre es denn nicht natürlicher und schöner jemanden im Kontext des alltäglich realen Lebens kennenzulernen, anstatt über das Internet? Und ist es denn überhaupt möglich wahre Liebe durch dieses neue Kennenlern-, und Kommunikationsmittel zu finden? Bei einer Freundin von mir hat das funktioniert, aber eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht, denn auch wenn Online-Dating in der digitalen Welt geschieht, so ist es dennoch ein Bestandteil des Lebens an sich und folglich nicht berechenbar oder vorhersagbar, sondern eine Frage des Glücks, Zufalls, Fügung oder gar Bestimmung des Lebens, je nachdem, wie man es bezeichnen möchte. Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass Online Dating eine von vielen Möglichkeiten darstellt mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, dies sollte man nie außer Acht lassen oder gar vergessen.

 

    Ich sehe gerade, dass meine neue OkCupid Bekanntschaft mir eine neue Nachricht geschrieben hat und tauche wieder ein in diese irrwitzige Welt und gehe online.

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